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Butter erhöht das Sterbe Risiko und Fleisch verursacht Krebs


Warum Ernährungsschlagzeilen oft mehr verwirren als aufklären – und was „Grill the Data“ damit zu tun hat


Immer wieder sorgen Schlagzeilen wie „Butter verkürzt das Leben“ oder „Fleisch verursacht Krebs“ für Aufsehen. Sie basieren in der Regel auf sogenannten Beobachtungsstudien – also Studien, die lediglich Zusammenhänge zwischen bestimmten Ernährungsgewohnheiten und Gesundheitsfolgen feststellen, ohne gezielt in das Verhalten der Teilnehmer einzugreifen.

Doch wie aussagekräftig sind solche Studien wirklich? In diesem Beitrag schauen wir uns zwei aktuelle Beispiele genauer an, werfen einen Blick auf die Probleme hinter der Methodik und stellen eine neue Studie vor, die aufzeigt, wie leicht sich Ergebnisse in der Ernährungswissenschaft verzerren lassen – ganz besonders, wenn man weiß, wie man mit Daten "spielt".

Ist Butter jetzt doch böse?
Butter vs. Pflanzenöle

Beispiel: Pflanzenöl statt Butter – weniger Sterbe Risiko?

Eine kürzlich veröffentlichte Langzeitstudie aus den USA mit über 221.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmern kam zu dem Ergebnis: Wer Butter durch pflanzliche Öle ersetzt, kann sein Sterberisiko um bis zu 17 Prozent senken. Die Studie lief über einen Zeitraum von 30 Jahren und wurde in der Fachzeitschrift Circulation veröffentlicht.

Auf den ersten Blick klingt das überzeugend. Doch es handelt sich hierbei um eine Beobachtungsstudie. Das bedeutet: Es wurden lediglich die Ernährungsgewohnheiten und gesundheitlichen Entwicklungen der Teilnehmenden erfasst – ohne gezielte Einflussnahme. Menschen, die sich bewusst für pflanzliche Öle entscheiden, leben möglicherweise insgesamt gesünder: Sie rauchen weniger, bewegen sich mehr oder haben ein höheres Bildungsniveau. All das kann das Ergebnis verfälschen.

Die Frage ist also: Ist wirklich das Öl der Schutzfaktor – oder das Gesamtpaket eines bewussteren Lebensstils?

Beispiel 2: Fleischkonsum und Krebs

Ein weiteres bekanntes Beispiel betrifft den Konsum von verarbeitetem Fleisch. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) stufte 2015 verarbeitetes Fleisch als krebserregend ein – mit der Begründung, dass der regelmäßige Verzehr von 50 Gramm pro Tag das Darmkrebsrisiko um 18 Prozent erhöht.

Auch hier handelt es sich um eine statistische Korrelation. Das relative Risiko mag erhöht sein, aber in absoluten Zahlen sieht das weniger dramatisch aus: Für Männer würde das lebenslange Darmkrebsrisiko etwa von 6,3 auf 7,4 Prozent steigen, bei Frauen von 4,7 auf 5,5 Prozent.

Die entscheidende Frage bleibt: Gibt es eine direkte Ursache – oder treten diese Zusammenhänge nur in bestimmten Bevölkerungsgruppen unter bestimmten Bedingungen auf?

Die Schwächen von Beobachtungsstudien

Beobachtungsstudien sind in der Ernährungsforschung weit verbreitet, weil sie relativ kostengünstig und über lange Zeiträume durchführbar sind. Doch sie haben zentrale methodische Schwächen.

Ein besonders großes Problem sind die Datengrundlagen. In den meisten Studien werden sogenannte Food-Frequency-Questionnaires (FFQs) oder 24-Stunden-Erhebungen eingesetzt. Die Teilnehmenden sollen also selbst angeben, was sie wann gegessen haben. Diese Daten sind fehleranfällig:

  • Ungesunde Lebensmittel werden häufig unterschätzt (Underreporting).

  • Gesunde Lebensmittel werden oft übertrieben angegeben (Overreporting).

Gerade übergewichtige Personen unterschätzen laut Studien ihre tägliche Kalorienaufnahme teils um bis zu 40 Prozent. Die Folge: Die Daten, auf denen viele Ernährungsempfehlungen beruhen, sind mit großer Unsicherheit behaftet.

Grill the Data: Wenn Statistik zur Deutungssache wird

Einen besonders spannenden Beitrag zur Debatte liefert die 2024 erschienene Studie „Grill the Data“, veröffentlicht im Journal of Clinical Epidemiology. Die Autoren untersuchten 15 bedeutende Ernährungsstudien, die sich mit dem Zusammenhang zwischen Fleischkonsum und Gesundheitsrisiken befassten.

Das Ergebnis: Obwohl die meisten dieser Studien auf denselben oder sehr ähnlichen Datensätzen beruhten, kamen sie zu völlig unterschiedlichen Schlussfolgerungen. Mal galt Fleisch als gesundheitsschädlich, mal als neutral oder sogar günstig.

Der Grund dafür liegt im sogenannten „p-hacking“: Die Forschenden testeten in vielen Fällen Hunderte verschiedene statistische Modelle, bis ein signifikanter Zusammenhang auftauchte. Dieser wurde dann veröffentlicht – während andere Ergebnisse unbeachtet blieben. So lässt sich beinahe jede Hypothese statistisch „nachweisen“, wenn man nur lange genug sucht.

Die Studie zeigt: Nicht nur die Datenlage ist unsicher – auch der Umgang mit diesen Daten ist oft fragwürdig.

Oder anders ausgedrückt: Mit Datenmassage kommt man zu dem Ergebnis, das gewünscht ist. .

Wissenschaftlicher versucht Korrelation zu finden
Korrelation und Datenmassage

Beobachtungsstudien vs. Interventionsstudien

Beobachtungsstudien sind nützlich, um erste Hinweise auf mögliche Zusammenhänge zu liefern. Doch sie können keine Kausalität belegen. Das können nur sogenannte Interventionsstudien – etwa randomisierte, kontrollierte Studien (RCTs), bei denen gezielt in die Lebensweise von Teilnehmenden eingegriffen wird.

Ein gutes Beispiel ist die PREDIMED-Studie aus Spanien. Hier wurde einer Gruppe von Menschen eine mediterrane Ernährung „verordnet“, während eine andere Gruppe sich wie bisher ernährte. Das Ergebnis: Das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen sank signifikant – ein klarer Hinweis auf eine ursächliche Wirkung.

Solche Studien sind aufwendig, teuer und in der Ernährung oft schwer umzusetzen. Dennoch sind sie unerlässlich, wenn es darum geht, verlässliche Empfehlungen auszusprechen.

Der lange Schatten von Ancel Keys

Ein historisches Beispiel dafür, wie ein methodischer Fehler die Ernährungswissenschaft über Jahrzehnte beeinflussen kann, ist die berühmte Sieben-Länder-Studie von Ancel Keys aus den 1950er-Jahren. Sie war die erste große internationale Untersuchung zum Zusammenhang zwischen Ernährung, Cholesterin und Herz-Kreislauf-Erkrankungen – und sie begründete die These, dass gesättigte Fette gesundheitsschädlich seien.

Doch die Studie war von einem erheblichen Auswahlbias geprägt. Ancel Keys hatte bewusst nur Länder ausgewählt, die zu seiner Hypothese passten – Länder wie Frankreich oder Deutschland, in denen der Fettkonsum hoch war, aber die Herzinfarktraten niedrig, wurden ausgeklammert.

unveröffentliche Studie Minnesota Coronay Experiment

Trotz dieser Schwäche prägte die Studie über Jahrzehnte die offiziellen Ernährungsempfehlungen – mit dem Ergebnis, dass Fett als „böse“ galt und kohlenhydratreiche, fettarme Produkte gefördert wurden. Heute wissen wir, dass dies so pauschal nicht haltbar ist. Zudem wurden die Ergebnisse des Minnesota Coronary Experiment (MCE), das zwischen 1968 und 1973 unter der Leitung von Ivan Frantz und Ancel Keys nicht veröffenlicht.  Die randomisierte, kontrollierte Studie untersuchte den Effekt des Ersatzes von gesättigten Fetten durch mehrfach ungesättigte Fettsäuren (insbesondere Linolsäure) auf das Risiko von Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Teilnehmer waren unter anderem Bewohner psychiatrischer Einrichtungen und Pflegeheime.​ Obwohl die Studie bereits 1973 abgeschlossen wurde, blieben die vollständigen Ergebnisse jahrzehntelang unveröffentlicht. Erst 2016 wurden die Daten von Christopher E. Ramsden und Kollegen wiederentdeckt und analysiert. Die Reanalyse zeigte, dass der Austausch von gesättigten Fetten durch Linolsäure zwar den Cholesterinspiegel senkte, jedoch nicht zu einer Reduktion der Gesamtmortalität führte. Bei Teilnehmern über 65 Jahren war sogar eine erhöhte Sterblichkeit in der Interventionsgruppe zu verzeichnen. ​

Es richt nach Wissenschafts-Betrug

Diese Ergebnisse stellen die damalige Annahme in Frage, dass der Ersatz von gesättigten Fetten durch mehrfach ungesättigte Fettsäuren automatisch zu einer Verbesserung der Herzgesundheit führt. Die späte Veröffentlichung der vollständigen Daten hat zu Diskussionen über die Integrität und Transparenz in der Ernährungsforschung geführt.

Meine Bewertung - Angstmache und fatale Fehlsteuerung

Ernährungsstudien sind häufig wenig aussagekräfig, weil meist Beobachtungsstudien und häufig mit einem Bias versehen. Es gibt zu wenige Interventionsstudien beim Menschen.


Abhängig vom Zeitgeist, Interessenkonflikten und politischen Wünschen werden Ergebnisse präsentiert, die nicht valide sind und durch statistische Methoden zurechtgebogen wurden.


Negative Auswirkung auf die Gesellschaft

Dies kann aber fatale Auswirkungen haben, zumal Fachgesellschaften diese Ergebnisse in Empfehlungen transformieren und sich Großküchen an diese Empfehlungen orientieren - zum Beispiel in Kindertagesstätten, Betriebskantinen, Krankenhäusern.


Fachgesellschaft erstellt Guidelines
Ernährungsempfehlungen der Fachgesellschaften


Wer sich gesund ernähren möchte, ist gut beraten, sich an bewährten Grundsätzen zu orientieren: möglichst unverarbeitete, vielfältige Lebensmittel, ausgewogene Mahlzeiten, achtsames Essen.


Auf einzelne Schlagzeilen oder Studien sollte man sich dabei nicht verlassen – und schon gar nicht auf dramatische Aussagen, die Butter zur Gefahr und Pflanzenöl zum Lebensretter erklären - das Gegenteil ist schon vor Jahren in Interventionsstudien gezeigt worden (Sydney Diet Heart Study - Ramsden CE, Zamora D, Leelarthaepin B, et al. Use of dietary linoleic acid for secondary prevention of coronary heart disease and death: evaluation of recovered data from the Sydney Diet Heart Study and updated meta-analysis. BMJ. 2013;346:e8707). ​


Quellen

  1. Originalstudie zu Pflanzenölen und Butter in Circulation (2024):https://www.ahajournals.org/doi/10.1161/CIRCULATIONAHA.123.063920

  2. Medienbericht zu Pflanzenölstudie (aponet.de):https://www.aponet.de/artikel/einfacher-trick-fuer-ein-laengeres-leben-mehr-pflanzenoel-weniger-butter-31446

  3. Artikel zur Harvard-Studie bei chip.de:https://www.chip.de/news/Harvard-Studie-ueber-30-Jahre-hinweg-Wer-dieses-Fett-ersetzt-lebt-laenger_185847949.html

  4. Fleisch und Krebs – Verbraucherzentrale Hamburg:https://www.vzhh.de/themen/lebensmittel-ernaehrung/fisch-fleisch/verursachen-fleisch-wurst-wirklich-krebs

  5. Analyse zu absoluten Krebsrisiken (ZORA, Uni Zürich, PDF):https://www.zora.uzh.ch/id/eprint/145678/1/145678.pdf

  6. „Grill the Data“ – Journal of Clinical Epidemiology (2024):https://www.jclinepi.com/article/S0895-4356(24)00033-7/fulltext

  7. PREDIMED-Studie zur mediterranen Ernährung (NEJM, 2013):https://www.nejm.org/doi/full/10.1056/NEJMoa1200303

  8. Kritik zur 7-Länder-Studie von Ancel Keys (PubMed Review):https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/27923498/

 
 
 

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